Gedenken an die Verstorbenen der Corona-Pandemie
Heute hat Deutschland seiner Toten gedacht, die im Zusammenhang mit COVID-19 verstorben sind. Eine wichtige Initiative unseres Bundespräsidenten, wie ich finde. Auch ich habe dieses Wochenende eine Kerze ins Fenster gestellt.
Heute habe ich wieder einmal in der Bibel gelesen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich bewusst im Buch Hiob gelesen. Es gehört zur sogenannten Weisheitsliteratur in der Bibel, kurz bevor die Psalm-Gebete beginnen. Das Buch Hiob ist ein faszinierendes Beispiel von Rede und Gegenrede, es ist ein Beispiel eines dramatischen Tests. Hiobs Gottvertrauen wird auf extreme Weise auf die Probe gestellt.
Anlass meines heutigen Bibelstudiums war unser gestriges Gespräch beim digitalen EAK-Tag mit Landesbischof Tobias Bilz unserer Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens.
Tobias Bilz bezeichnet sich selbst als Lernender in der Pandemie. „Wir wissen immer noch nicht, wie wir der Lage Herr werden können. Wir können immer nur sagen, was wir derzeit wissen.“ Bischof Bilz verweist darauf, dass wir in Deutschland allzuoft glauben, dass wir eine Sache nur richtig anpacken müssen, dann wird das schon werden. Deutschland hat die Dinge in der Regel auch eigentlich immer im Griff, dies führt zu einer verführerischen Selbstsicherheit.
Viele fragen uns Christen in dieser nunmehr über einjährigen Pandemie warum über uns diese Katastrophe gekommen ist, warum Gott dies nicht verhindert hat. Andere sagen wiederum, wir hätten uns dieses Unglück selbst zuzuschreiben, weil wir mit unserer Umwelt so schäbig umgegangen sind. Schwere Fragen und Themen, zweifelsohne.
Und hier kommt das Buch Hiob zur Diskussion, Landesbischof Bilz stellt seine Ausführungen im EAK Sachsen unter die Überschrift: „Warum ich die Corona-Pandemie für eine Prüfung Gottes halte?“ Er meint, unser Gottvertrauen wird dramatisch auf die Probe gestellt.
Corona ist eine Prüfung unserer Herzenshaltung. Wie können wir neu in ein Gottvertrauen hineinkommen? Die Fragen des Lebens werden heute anders beantwortet, der christliche Glaube war in der Vergangenheit ein treuer Wertelieferant. Aber der Humanismus bringt heute auch ordentliche Menschen hervor. Die Bannung einer unmittelbaren Kriegsgefahr lässt uns in Deutschland/Europa weitgehend unbeschwert leben. Wir erleben eine gute Gesundheit und genießen ein langes Leben aufgrund des Fortschritts der Medizin. Wir sind ziemlich glücklich in dieser Welt. Und all dies wird durch die Corona-Pandemie in Frage gestellt, es ist eine schwere existenzielle Erschütterung. Hier hilft nur Demut und die Einsicht, dass wir Menschen nicht das Maß aller Dinge sind. Mit einem guten inneren Kompass sollten wir vielmehr unsere geistigen Gepflogenheiten aufrecht erhalten.
Corona ist eine Prüfung des Charakters. Im Buch Hiob schweigen und trauern Männer mit Hiob 7 Tage und 7 Nächte. Sie quatschen nicht, sie schweigen.
Wir erleben in der Corona-Pandemie eine neue Phase von Rechthaberei, eine neue Phase von Schuldzuschreibungen. Dabei bedarf es in der Not einer erhöhten Achtsamkeit im Umgang miteinander, wir sollten uns nicht noch mehr einander belasten. Seid sorgfältig miteinander, sagt Landesbischof Bilz. Der Satz „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ bekommt eine neue Dimension. Wir leben in einer Verantwortungsgemeinschaft von Rahmenbeschreibung und selbstverantwortlichem Gestalten & Handeln.
Corona ist eine Prüfung für unser Tun. Die Corona-Pandemie greift tief in unsere Lebensvollzüge ein. Landesbischof Bilz möchte, dass Gottesdienste bspw. Ermutigungserlebnisse sind, was ist also die richtige Form für das Zusammenkommen von Menschen in der Pandemie? Es braucht Zeugnis und Kommunikation. Es braucht Dienst und Diakonie, wie bspw. beim Zugang zu den Menschen in den Pflegeheimen.
Die Warum-Frage wird im Buch Hiob nicht beantwortet. Es gibt keine Antwort, warum Gott Hiobs Gottvertrauen auf die Probe stellt. Aber am Ende gibt es den Wiedereintritt in Handel & Wandel. Dies sollte eine Ermutigung für uns in der Gesellschaft, in Politik und Kirche sein. Vertrauen muss wachsen, Offenheit muss entstehen, suchen wir deshalb der Stadt Bestes.
So gesehen, ist die Corona-Pandemie-Krise auch eine heilsame Unterbrechung für uns im Glauben, in der Kirche, um aus der Sprachlosigkeit und der Suche nach neuem Gottvertrauen letztlich neue Kraft zu schöpfen. Stellen wir uns dieser Prüfung Gottes - mit Anstand und Abstand.
Dresden, 18. April 2021